Iliya Bachtiya
Iliya Bäxtiya (1932-1987), dessen Namen auch in anderen Varianten wiedergegeben wird, etwa Il´ya Bäxtiya (wobei der Vorname russisch wirkt) soll in einem Dorf namens Čoŋ Ačinoqa im damaligen Uigurischen Bezirk (Uyġur Nahiyisi) der Provinz Alma-ata (heute Almaty, uigurisch Almuta) zur Welt gekommen sein. Ab dem fünften Lebensjahr wuchs er in Taschkent auf, von wo er 1941 in seine Heimatgegend zurückkehrte. 1953 nahm er ein Studium der kasachischen Sprache und Literatur am prestigereichen Pädagogikinstitut der nach Abay benannten Universität in Alma-Ata auf. Nach dessen Abschluss arbeitete er ab 1957 als Lehrer in Kätmän (nahe Alma-Ata).
Man dürfte wohl nicht falsch liegen, wenn man in Bäxtiyas Studium der kasachischen Sprache und Literatur einen der Gründe sieht, die zu seiner Freundschaft mit Muqaġali Maqatayev (1931-1976) führte, der neben Abay und Muxtar Auezov zu den bedeutendsten Vertretern der kasachischen Literatur überhaupt gerechnet wird. Die beiden beeinflussten, befruchteten und inspirierten sich über Jahre hinweg. Eines der schönsten Elemente während der gestrigen Feier zu Bäxtiyas 90. Geburtstag war eine von einem jungen Theaterensemble mitreißend aufgeführte Inszenierung (eine Szene daraus sieht man ebenfalls auf einem der hier geposteten Fotos) wichtiger Stationen des gemeinsamen Lebenswerks der beiden.
Gemeinsam mit Maqatayev hat Iliya Bäxtiya, dass ihm erst nach seinem Tod jene Anerkennung und jener literarische Rang zuerkannt worden ist, der ihm aufgrund seiner Leistungen gebührt. Bäxtiya wird nun unter anderem als der „Padischah der modernuigurischen Dichtung“ (Uyġur šeiriyitiniŋ padišasi) bezeichnet.
In dieser verspäteten, erst posthumen Würdigung liegt für mich eines der schmerzhaften Paradoxa in Bäxtiyas Leben, das trotz der Veröffentlichung mehreren Gedichtbände von zahlreichen Schwierigkeiten geprägt war, darunter den ,üblichenʽ höllischen Bedingungen für Intellektuelle und Freiheitsliebende in der Sowjetdiktatur. Heute feiern die Uiguren, die Kasachen und Teile des Rests der Welt den großen Sohn des uigurischen Volks, den grandiosen Dichter. Doch zu seinen Lebzeiten hat er davon nicht unbedingt das gehabt, was er verdient hätte. Der Unterschied zwischen der Lebenswirklichkeit Bäxtiyars und unserer heutigen Wahrnehmung seiner Person birgt die Gefahr, dass wir das Leben dieses Dichters und von Dichtern im Allgemeinen falsch oder gar nicht verstehen. Wir neigen manchmal dazu, die großartigen Hinterlassenschaften zu sehen, aber nicht, unter welchen schwierigen, teils grausamen Bedingungen sie dem Leben und den Zeitumständen abgerungen wurden.
Mein persönlicher Eindruck, schon während ich das hier übersetzte Gedicht Bäxtiyas in Shonzhy (Südostkasachstan) las, war, dass in Bäxtiyas Werk eine außergewöhnliche dichterische Kraft und Lebendigkeit lebt, die in der Lage ist, mit wenigen Worten sehr wesentliche Dinge auszudrücken, über Bäxtiyas Zeit und über die uigurische Literatur hinaus. Es hinterlässt bleibende Spuren. Möge sein Andenken und Werk den Uiguren in dieser für sie so grausamen, entbehrungsreichen und schwierigen Zeit helfen, ihr kulturelles Erbe, ihre Identität und ihren Glauben an sich selbst zu bewahren.