Abduveli Ayup
Das Leben und das vielfach auf diese bezogene schriftstellerische und publizistische Werk Abduveli Ayups (*1974; auch in anderen Namensformen wie Abüldveli Ayup, Weli Ayup etc.) dokumentieren den brutalen und tiefen Einschnitt, mit dem die Regierung der Volksrepubik China in der Zeit von etwa 2013 bis 2017 nicht nur praktisch jeglichem uigurischen Kulturleben im Land ein jähes Ende setzte, sondern auch einen Großteil der wichtigsten Repräsentanten des uigurischen Kulturlebens direkt verfolgte, nicht selten foltern ließ und in einigen Fällen für deren Tod verantwortlich wurde.
Abduväli Ayup ist nicht nur als Schriftsteller, sondern auch als Autor pädagogischer Bücher, inbesondere Sprachlehrbücher, bekannt geworden. Die Aufmerksamkeit eines internationalen Publikums erregte er aufgrund seiner Fluchtgeschichte. Diese wurde inzwischen ausführlich aufgearbeitet und ist Gegenstand einer wissenschaftlichen Monographie geworden.
Nach einer Zeit als Uigurischlehrer in Kaschgar war Ayup von Dezember 2005 bis Juni 2006 Gastwissenschaftler an der Universität Ankara. Danach studierte er mit einem Stipendium der Ford-Stiftung an der Universität von Kansas und schloss das Studium 2011 mit einem master´s degree in Sprachwissenschaft ab. Danach kehrte in seine Heimat Xīnjiāng zurück, wo er eine Sprachschule für Uigurisch eröffnete.
Am 20. August 2013 – also zu Beginn der jüngsten Repressionsphase in der VR China – wurde er von den chinesischen Behörden mit dem Vorwurf festgenommen, illegal Geld für sein Schulprojekt eingeworben zu haben. Zwei seiner Mitarbeiter wurden ebenfalls festgenommen. Die offizielle Anklage wurde am 17. Mai 2014 erhoben, und der nur einen Tag dauernde Gerichtsprozess fand am 21. August desselben Jahres statt. In ihm wurde Ayup wegen illegaler Geldbeschaffung zu 18 Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe von umgerechnet etwa 12 000 Euro verurteilt, was für volksrepublikanisch-chinesische Verhältnisse eine enorme Summe darstellt. Nach einem Einspruch gegen das Urteil wurde Ayup am 20. November 2014 freigelassen und lebte danach eine Weile in Freiheit in Kaschgar. Später gelang es ihm, die Volksrepublik zu verlassen.
Durch die Xinjiang Police Papers erfuhr Ayup im Sommer 2022, dass sein Bruder Ärkin zu den Inhaftierten gehörte. Gegenwärtig (2022) lebt er im Exil in Norwegen.
Zu Ayups Werken zählen neben diversen spracherzieherisch-pädagogischen und populärwissenschaftlichen Titel für Kinder auch das 2018 In Istanbul erschienene Buch Oyular vadisi Türkiyä („Die Türkei, ein Tal der Spiele“). Es versammelt neben einer Kurzbiographie des Autoren 66 kurze Prosatexte, in denen Ayup seine Eindrücke über die Türkei sowie die Situation der Uiguren in der Türkei wiedergibt. Ebenfalls eine Sammlung von kurzen Prosatexten stellt das im selben Jahr erschienene Täpäkkür vä tuzaq („Das Denken und die Fallen“) dar. Ähnlichen Charakter wie das vorgenannte Werk tragen auch Bügünniŋ tarixi, dessen Titel im Buch selbst mit The History of Today übersetzt wird, sowie Kälgüsimiz pärqliq bolidu („Unsere Zukunft wird anders sein“). Diese und viele andere Werke Ayups gehen streckenweise in tagebuchartige Aufzeichnungen über.
Die hier vorgestellten Texte veröffentlichte Ayup unter dem Titel Mähbus rohlar („Gefangene Seelen“). Darin setzte er sich ausführlich mit seinen Erfahrungen in volksrepublikanisch-chinesischen Gefängnissen sowie allgemein mit der Situation der Uiguren in der Volksrepubklik China auseinander. Eine Übersetzung der Gefängniserinnerungen in die türkeitürkische Sprache hat Ayup selber im Jahr 2020 herausgebracht. Ebenfalls auf Türkisch widmete sich Ayup noch ein weiteres Mal seinen Gefängniserlebnisse aus China im Jahr 2021 unter dem Titel Özgür Mahkum („Der Freie Inhaftierte“).